Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!

Gottesdienst zur Jahreslosung 2024 von Pfr. Roman Häfliger

An Heiligabend ist eine Kolumne von Markus Somm über das «Marketing-Genie des Christentums» erschienen. Dieser, nämlich Paulus, hat die Jahreslosung 2024 verfasst: «Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!»

Nun, Paulus wird wissen, wovon er spricht. Er selbst hatte nicht immer in Liebe gehandelt, weiss nun aber seine eigenen Handlungen in ein Davor und ein Danach zu unterteilen.

Diesen Aufruf stellt er an den Schluss seines ersten Briefs an die Gemeinde in Korinth. Fünf Jahre früher hatte er die Gemeinde auf seiner zweiten Missionsreise gegründet.

Korinth ist ein verkehrstechnischer Knotenpunkt, an dem See- und Landwege ineinander übergehen. Hier herrscht ein buntes Treiben, die Geschäfte florieren, der Handel blüht. In dieser Stadt lässt sich zu diesem Zeitpunkt nahezu alles finden, hier treffen sich alle möglichen schrägen Typen, die das Meer ans Land gespült hat, hier knallen kulturelle Welten aufeinander. Griechisch-philosophisches Denken trifft auf eine jüdisch-orientalisch geprägte Kultur.

Und mitten in diesem Wirrwarr, diesem Gewühl von Menschen und religiös-philosophischen Denkweisen, lebt im Jahr 55 eine gar nicht so kleine christliche Gemeinde. Sie trifft sich in einem privaten Haus irgendwo am Rand von Korinth. Aus den unterschiedlichsten Vierteln der Stadt kommen sie dort zusammen. Menschen, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Die einen reich, die anderen bettelarm. Afrikaner, Asiaten, Europäer. Alle mit je eigener Sprache, Hintergrunds-Kultur und darüber hinaus mit ihren ganz unterschiedlichen christlichen Prägungen und ethischen Überzeugungen. Dabei berufen sich die einen auf einen christlichen Lehrer namens Apollos, der mit philosophisch-rationalen Argumenten den Glauben erklärt, die andern auf die Botschaft von Paulus und das Evangelium von der Gnade Gottes und wieder welche nur auf sich selbst. So fehlt in der Gemeinde der Zusammenhalt: statt Liebe grassiert Gleichgültigkeit.

Als die Gemeindeglieder in Korinth an einem Morgen im Jahr 55 ihren Versammlungsort erreichen, erwartet sie eine Überraschung: Ein Schreiben ist eingetroffen. Ein Brief des Apostel Paulus. Seit er die Gemeinde gegründet hat, ist er über Boten mit ihr in Verbindung geblieben. Diese Gemeinde liegt ihm am Herzen. Er liebt sie und gleichzeitig leidet er an ihr. Und genau darum kämpft er jetzt so leidenschaftlich um sie und um die Art und Weise, wie die Christen in Korinth ihren Glauben leben.

In seinem Brief führt Paulus den Korinthern vor Augen, wie anders sie leben könnten. Er argumentiert und versucht, den Christinnen und Christen in Korinth zu erklären: Bevor ihr euch an eurer Unterschiedlichkeit aufreibt und nur noch auf das seht, was euch unterscheidet, schaut auf das, was euch verbindet. Denn im Kern gehört ihr trotz all eurer Unterschiede zusammen – ihr seid alle Teil an dem einen Leib Christi. Das sollte euer Handeln bestimmen. Nicht eure unterschiedlichen Sichtweisen. Jesus Christus ist es, der euch verbindet. So unterschiedlich ihr auch seid – er ist es, der euch mit Gott versöhnt hat, der euch eure Schuld vergibt und der euch alle liebt. Diese Liebe Jesu ist es, die euch verbindet. Die euer Leben prägen und euch aus jedem Knopfloch strahlen sollte. Darum: «Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.»

Paulus wählte seine Worte bewusst. Vielleicht liegt auch hier, mit den Worten von Markus Somm, etwas grandios Jüdisches in einer etwas weniger anspruchsvollen Version vor. Zum Vergleich das laut Jesus grösste Gebot, das es gibt (Mk 12,29-31), das Doppelgebot der Liebe: «Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst.» Dieselbe Überzeugung steht auch hinter der Jahreslosung aus dem Korintherbrief. Diese hat aber einen grösseren Praxisbezug. Vielleicht schaffe ich es nicht, jeden meiner Nächsten so zu lieben wie mich selbst. Aber auch dann kann ich mich bemühen, meine Taten in Liebe zu tun. Für das Miteinander in der Gemeinde ist das schon ein grosser Schritt!

Mit seinem Brief an die Gemeinde in Korinth spricht Paulus auch uns an: Je grösser die Gemeinden im Lauf der Jahrhunderte geworden sind, desto unterschiedlicher sind ihre Mitglieder, ihre Überzeugungen, ihre Chancen und Interessen geworden.

Vielleicht fühlen Sie sich nicht jedem oder jeder der knapp 9000 Mitglieder unserer Gemeinde als «Nächster» verbunden. Jedoch kann sich jede und jeder von uns den Neujahrsvorsatz nehmen: Alles, was ich tue, geschehe in Liebe. Ich wünsche Ihnen dabei viel Freude und Gottes Segen.